Der Gemeinderat beschließt das vorliegende
„Einzelhandels- und Zentrenkonzept für die Gemeinde Wiefelstede“ als städtebauliches
Entwicklungskonzept i. S. d. § 1 Abs. 6 Nr. 11 BauGB für die zukünftige
Bauleitplanung und für zukünftige Abwägungsentscheidungen.
FDL Quathamer erinnert an die Beratung in der Bau- und Umweltausschusssitzung am 09.02.2015 auf der sich der Ausschuss (einstimmig) für ein kommunales Einzelhandelskonzept (EHK) ausgesprochen habe und verweist noch einmal ausführlich auf die damals aufgezeigten Vorteile für die Beteiligten (wichtige Grundlage für Entscheidungen zur Vermeidung von Fehlentwicklungen, Planungssicherheit für Händler und Investoren etc.).
Es folgt eine sehr ausführliche Diskussion über die grundsätzliche Notwendigkeit und mögliche Nachteile eines EHK insbesondere in Bezug auf die geplante Erweiterung des Netto-Marktes, der außerhalb des zentralen Versorgungsbereichs liegt.
FBL Siemen befürwortet ein Vorziehen der Beratung in die morgige Sitzung des Verwaltungsausschusses, da der Investor für die geplante Erweiterung des Netto-Marktes eine schnelle Entscheidung benötige.
Verwaltungsseitig wird darauf hingewiesen, dass sich durch das EHK für den Netto-Markt keine Änderungen ergeben würden, da sich dessen Standort bereits im aktuellen Regionalen Einzelhandelsentwicklungskonzept Landkreis Ammerland (REHK) außerhalb der städtebaulich integrierter Lage befinden würde. Aufgrund der angestrebten Erweiterung über 800 m² Verkaufsfläche hinaus müsse hier außerdem der Bebauungsplan geändert werden. Hierzu müsse durch eine Wirkungsanalyse nachgewiesen werden, dass die Erweiterung entsprechend der übergeordneten Vorgaben des Landes-Raumordnungsbedarfs verträglich sei (keine schädigenden Wirkungen auf Umlandgemeinden, das Ortszentrum und die bestehende Versorgungsstruktur). Im Rahmen des Bauleitplanverfahrens seien neben der Oldenburgischen IHK, dem Landkreis Ammerland auch die betroffenen Nachbargemeinden zu beteiligen (Abstimmungsgebot).
Während sich durch das EHK für den Nettomarkt keine Änderung der Standortbewertung ergebe, würden der Aldi-Mark in Wiefelstede und der NP-Markt in Metjendorf in diesem Punkt durch die geänderte Abgrenzung des zentralen Versorgungsbereichs profitieren. Entgegen der Auffassung einiger Ausschussmitglieder könne dieser nicht frei festgelegt, sondern müsse gewisse Kriterien erfüllen, d. h. städtebaulich integriert sein.
FDL Quathamer stellt nunmehr den Entwurf des EHK anhand der in der Anlage beigefügten Präsentation ausführlich vor und erläutert die wichtigsten Punkte. Der Angebotsschwerpunkt in der Gemeinde liege eindeutig in der Nahrungs- und Genussmittelbranche. Hier werde mit 98,8 % eine nahezu optimale Zentralität erreicht, obwohl in diesem Bereich in Metjendorf wohl insbesondere aufgrund der unmittelbaren Nähe zur Stadt Oldenburg immer noch ein hoher Kaufkraftabfluss zu verzeichnen sei. Dies belege auch die relativ geringe Einkaufshäufigkeit der Metjendorfer in ihrem Wohnort. Die festgestellte Zentralität bei der Kaufkraft insgesamt sei mit 70,5 % für ein Grundzentrum jedoch typisch. Für den Lebensmitteleinzelhandel würde sich bis zum Jahr 2030 aufgrund der positiven Bevölkerungsprognose ein Verkaufsflächenpotenzial von rd. 400 m² ergeben. Potenzial für einen Drogeriemarkt und nach den Kundenbefragungen auch einen Bedarf gebe es sowohl in Wiefelstede als auch in Metjendorf. Gewünscht wurde in den Befragungen eine Verbesserung des Einzelhandelsangebots im Allgemeinen insbesondere jedoch im Bereich Bekleidung, Schuhe und Sport. Festzustellen sei auf der anderen Seite in einigen Sortimenten aber auch eine hohe Orientierung auf den Internet- und Versandhandel. Hier müsse der örtliche Einzelhandel entgegenwirken. Insgesamt wurden jedoch sowohl der Einkaufsort Metjendorf als auch der Einkaufsort Wiefelstede sehr positiv bewertet. Die Zahl der Einwohner im fußläufigen Bereich (700 m Umkreis) des NP-Marktes in Metjendorf sei für die geplante Erweiterung wohl ausreichend (2.961 Einw.). Im Nahversorgungsbereich des Netto-Marktes würden hingegen lediglich 1.530 Menschen leben. Diesen müsse sich der Markt außerdem größtenteils mit drei weiteren Anbietern teilen.
FDL Quathamer weist darauf hin, dass die Vermutungsgrenze für die Großflächigkeit eines Einzelhandelsbetriebes erst 2005 durch Urteil des BVerwG von bisher 700 m² auf 800 m² angehoben worden sei. Die Argumente des Einzelhandels für eine weitere Anhebung hätten sich seitdem kaum geändert.
Erläuterung:
Handelt es sich um einen so genannten
großflächigen Einzelhandelsbetrieb greift die Vermutungsregelung des § 11 Abs.
3 Satz 2 BauNVO, wonach der Betrieb negative Auswirkungen auf die
städtebauliche Entwicklung und Ordnung und auf die Verwirklichung der Ziele der
Raumordnung und Landesplanung habe. Die Vermutungsregel kann jedoch durch eine
Wirkungsanalyse widerlegt werden.
„Nach der Rechtsprechung des BVerwG beginnt
die Großflächigkeit bei 800 m². Ursprünglich (1987) hatte das BVerwG die Größe
der Großflächigkeit von Einzelhandelsbetrieben bei etwa 700 m² Verkaufsfläche
angenommen. Im Urteil vom 24.11.2005 hat das BVerwG die Großflächigkeit auf 800
m² angehoben. Hierauf hat sich die Praxis seitdem eingestellt (Stefan Kruse
(Hrsg.): Handbuch Einzelhandel, Bonn 2012)“
Das BVerwG hatte in dem genannten Urteil
entschieden, dass aufgrund der Veränderungen im Einkaufsverhalten der
Bevölkerung an der pauschalen Annahme der Großflächigkeit bereits bei 700 m²
Verkaufsfläche nicht mehr festgehalten werden könne. Auch solle in dem
vorliegenden Fall die Vergrößerung der Verkaufsfläche nicht der Erweiterung des
Sortiments sondern der Rationalisierung der Arbeitsabläufe und einer heutigen
Kundenbedürfnissen entgegenkommenden Präsentation des Warenangebots dienen.
Eine weitere Anhebung der Vermutungsgrenze,
wie insbesondere vom Lebensmitteleinzelhandel gefordert, wird nach Rücksprache
mit der Oldenburgischen IHK und der IHK Hannover zurzeit nicht in Erwägung
gezogen.
FDL Quathamer entgegnet auf die Kritik aus der Mitte des Ausschusses wegen der nicht vorliegenden Stellungnahmen der Oldenburgischen IHK und des Landkreises Ammerland, dass er diese erst am heutigen Tage erhalten habe. Insbesondere mit der IHK hätte er sich jedoch im ständigen Austausch befunden. Ihm sei signalisiert worden, dass der Entwurf des EHK in großen Teilen begrüßt werde. Dies habe sich mit der nun schriftlich vorliegenden Stellungnahme erwartungsgemäß bestätigt. Während die Stadt Oldenburg bereits telefonisch erklärt habe, sich zu dem Entwurf des EHK nicht äußern zu wollen, habe die Gemeinde Rastede aus Urlaubsgründen um Fristverlängerung gebeten. Es sei jedoch davon auszugehen, dass es auch von dort keine wesentlichen Anregungen und Bedenken geben werde. Von den anderen Nachbarkommunen und von den Werbegemeinschaften seien bis heute überhaupt keine Rückmeldung eingegangen. Aufgrund der bisher gemachten Erfahrungen sei hiermit auch nicht mehr zu rechnen.
Ausschussmitglied Bäcker bemängelt, dass das EHK keine Aussagen zu den Auswirkungen des demographischen Wandels auf den Einzelhandel enthalte.
FDL Quathamer erklärt, dass sich die demographische Alterung voraussichtlich deutlich weniger auswirken werde als allgemein erwartet, wie einigen Publikationen im Internet zu entnehmen sei.
Auszug aus der „BVMBS-Online-Publikation Nr. 02/2013 - Nahversorgung
in ländlichen Räumen“, Schriftenreihe des Bundesministeriums für Verkehr, Bau
und Stadtentwicklung
„Für die Zukunft wird nicht mit einer Rückbesinnung der Verbraucher hin
zum lokalen Einkauf zur Erhaltung lokaler Geschäfte gerechnet, da Mobilität und
Preisbewusstsein der Konsumenten hoch bleiben werden (Linz 2002: 238f). Die
Hoffnung, einer stärkeren Nahorientierung im Zuge der demographischen Alterung
lässt sich kaum aufrechterhalten. So zeigen Modellrechnungen für
Mecklenburg-Vorpommern, dass sich trotz massiver Alterung bis 2030 das
Mobilitätswachstum weitestgehend im motorisierten Individualverkehr (MIV)
vollzieht (Klein-Hitpaß/Lenz 2009: 16). (…) Zusammen mit einer deutlichen
Verbesserung des gesundheitlichen Zustandes haben Senioren zumindest die
Möglichkeit selbst Auto zu fahren. Darüber hinaus wurden die künftigen Senioren
der Babyboom-Generation mit dem Auto sozialisiert, weshalb die PKW-Orientierung
zu ihrem Lebensstil gehört. Daher werden sie voraussichtlich so lange selbst
ihr eigenes Auto fahren, wie Gesundheit und individuelles Budget es zulassen
und erst anschließend nach alternativen Mobilitätsangeboten suchen (ifmo 2008).
Ähnliches kann für die Niedrigpreisorientierung der zukünftigen Alten vermutet
werden.“ (Download auf der Internetseite www.bbsr.bund.de )
Ausschussvorsitzender Nacke kritisiert die Festlegung des Einzugsgebietes im EHK, die bereits die geplante Änderung des Landes-Raumordnungsprogramms berücksichtige, obwohl diese nun doch wohl nicht mehr umgesetzt werde.
FDL Quathamer erklärt, dass sich hierdurch im Ergebnis keine Änderungen ergeben würden.
Nach einer weiteren ausführlichen
Diskussion kommt der Ausschuss bei einer Gegenstimme und einer Enthaltung zu
dem Ergebnis, die Angelegenheit ohne Beschlussempfehlung an die morgige Sitzung
des Verwaltungsausschusses zu verweisen.